Gründung und Etablierung

Die Geschichte des „Sächsischen Beamtenbundes“ reicht bis zur vorletzten Jahrhundertwende zurück, als zahlreiche kleinere Beamten-Vereinigungen entstanden. Durch Zusammenschlüsse, und über mehrere Epochen politischer Umbrüche hindurch, konnten die Interessen der sächsischen Beamtenschaft vertreten werden.

Die ersten Beamtenverbände entstanden im Deutschen Reich am Ende des 19. Jahrhunderts. So gründeten die Post- und Telegrafenassistenten im Jahr 1890 einen „Verband zur Förderung der Berufsbildung, Vaterlandsliebe, Kollegialität und wirtschaftlichen Interessenvertretung“. Dieser  Verband zählte zehn Jahre nach seiner Gründung bereits 15.000 Mitglieder.[1]

Die Anfänge der sächsischen Beamtenbewegung sind in den Vereinen der einzelnen Beamtengruppen zu finden. Diese wurden um 1900 in Sachsen in größerer Zahl gegründet, hatten untereinander aber kaum Kontakt.

Im Zuge der Besoldungsreform von 1909 setzte sich dann die Einsicht durch, dass nur schlagkräftige Verbände die Interessen der Beamten wirksam vertreten können. So entstanden am 15. Dezember 1909 das „Kartell sächsischer mittlerer Staatsbeamten“ und der „Sächsische Staatsbeamtenbund“, die als Klassenverbände konzipiert waren. Das Kartell vertrat dabei die Interessen der mittleren Beamtenschaft, der Staatsbeamtenbund die der unteren Beamtengruppen.[2]

Das „Kartell sächsischer mittlerer Staatsbeamten“ und der „Sächsische Staatsbeamtenbund“ agierten allerdings gegeneinander und erst Jahre später wurde ein gemeinsamer Weg beschritten: Die einzelnen Verbände schlossen sich am 22. Oktober 1917 in der „Arbeitsgemeinschaft der Staatsbeamtenverbände“ zusammen, waren allerdings Souveräne und gaben nur diejenigen Rechte an die übergeordnete Organisation ab, die sie für richtig hielten. Auch waren nun die höheren Beamten mit eingebunden. Die Leitung der Arbeitsgemeinschaft bestand aus den Vertretern der verschiedenen Klassenverbände. Die Findung einer gemeinsamen Linie nach außen war daher oft sehr schwierig und langwierig. Am 4. Dezember 1918 schloss man sich schließlich zur Landesgruppe Sachsen im „Deutschen Beamtenbund“ (DBB) zusammen.[3]

BSS „Bund Sächsischer Staatsbeamter (Beamtengewerkschaft)“

Am 4. Mai 1919 konstituierte sich unter dem Vorsitz von Georg Schulze im „Viktoriahaus“ zu Dresden der „Bund Sächsischer Staatsbeamter (Beamtengewerkschaft)“. Dieser versuchte, unverbrauchte Wege zu gehen.

Der BSS schloss sich organisatorisch als selbstständiger Verband dem Landesverband Sachsen des DBB an. Am 9. August 1919 fand im Kaiser-Wilhelm-Saal des Dresdner Hauptbahnhofes die erste Sitzung des Hauptausschusses statt. 102 Delegierte waren dabei anwesend und bestätigten den vorläufigen Bundesvorstand.

Am 1. September 1919 erschien die erste Nummer der Bundeszeitung „Der Sächsische Staatsdienst“. Erster Vorsitzender des BSS war Regierungsrat Georg Schulze. Dem BSS gehörten zu diesem Zeitpunkt über 40 Vereine und Verbände an und  er umfasste fast alle Berufsschichten der sächsischen Staatsdiener.

Bei verschiedenen Fragen arbeitete der BSS mit den anderen großen bereits erwähnten Interessenvertretungen der sächsischen Beamten eng zusammen. So richteten sie zum Beispiel bei einer Angelegenheit, die die Lehrer betraf, kollektiv eine Eingabe an die Regierung: „Der Vorstand hat in Gemeinschaft mit den Vorständen der drei anderen Beamtengewerkschaften die nachstehende Petition an die sächsische Staatsregierung eingereicht. Damit haben sich sämtliche Beamten in Sachsen, das sind nahezu 100.000, zu einem geschlossenen Vorgehen vereinigt. Diese gesamte Beamtenschaft lehnt die Ueberreihungsforderung der Volksschullehrer einmütig ab und erwartet, dass die Staatsregierung Vorkehrungen treffen wird, die die Verwirklichung dieser Forderung auf dem Wege über die Gemeinden und die Präjudizierung der großen Besoldungsreform durch die planmäßig betriebenen  Erhöhungen der Lehrerbesoldungen verhindern.“ Die Forderungen wurden letztendlich nicht zur Befriedigung der Antragsteller umgesetzt. Das gemeinsame Schreiben zeigt aber, wie gut die Verknüpfung unter den verschiedenen Beamtenverbänden funktionierte, auch wenn diese mitunter sehr kompliziert  ausgestaltet sein konnte. Hierzu gibt ein Artikel im „Sächsischen Eisenbahner Bundesblatt“ Auskunft: „Durch seine Zugehörigkeit zum Kartell der deutschen Eisenbahn-Beamtengewerkschaften gehört der BSE auch dem Deutschen Beamtenbunde (DBB) an. Diese an sich lose Bindung ist zu dem Zwecke erfolgt und nötig, um in Fragen, die für die ganze deutsche Beamtenschaft von gleichgroßem Interesse sind, von vornherein übereinstimmendes, gemeinsames Handeln zu gewährleisten. Demselben Zwecke dient die gleiche lose Bindung des BSE mit dem Bund Sächsischer Staatsbeamten (BSS). Diese notwendige Gemeinschaftsarbeit mit den übrigen Organisationsinstanzen fordert naturgemäß Mittel. Am Aufbringen dieser Mittel beteiligt sich der BSE dadurch, dass er für jedes Mitglied und Jahr 20 Pfg. über die Landesgruppe Sachsen des DBB – also über den BSS – an den DBB abführt.“ Am 11. Juli 1920 fand der 1. Bundestag des BSS in Dresden statt. Auf diesem wurde Oberregierungssekretär Max Forkhardt zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Die Arbeit des BSS wuchs ständig an, so dass 1920 ein Geschäftsführer und ein Bundessekretär hauptamtlich eingestellt werden mussten. Auf dem 3. Bundestag am 17. und 18. September 1921 im Dresdner „Künstlerhaus“ waren der Ministerpräsident Wilhelm Buck (SPD) und einige seiner Minister anwesend. Deren politische Positionierung und Erwartungshaltung gegenüber den Beamten wurde später kritisch begutachtet: „Vor allen Dingen mussten uns die Ausführungen dieser Herren interessieren, da sie ja die Vorkämpfer für eine Weltanschauung sind, die der früher herrschenden diametral entgegengesetzt ist. Wer da allerdings erwartet hatte, weltbewegende Dinge zu hören, der musste enttäuscht werden.“ Es verwundert nicht, dass die meisten Angehörigen des BSS eher nicht sozialdemokratisch eingestellt waren, wurden doch die wenigsten Beamten nach der Umgestaltung des politischen Systems infolge des Ersten Weltkrieges ausgetauscht. Im Jahre 1921 gehörten dem BSS rund 15 000 Mitglieder an, die in 52 Verbänden organisiert waren.[4]

GSS „Gewerkschaft Sächsischer Staatsbeamten“

Anfang Juni 1923 konnten die Geschäftsräume im Dresdner Residenzschloss bezogen werden. Eine eigene Verbandszeitung, die „Sächsische Staatsbeamten-Zeitung“ erschien bereits am 10. Mai 1923. In der ersten Ausgabe war zu lesen: „Die GSS beschränkt sich nicht darauf, ein platonisches Bekenntnis zur Republik abzulegen. Ihre ganze Arbeit wird vielmehr von republikanischem und demokratischem Geiste getragen sein. Die GSS wird tätigen Anteil nehmen an der Ausgestaltung unseres Staatswesens im Sinne der Verfassung.“ Andererseits griff die GSS den BSS scharf an und warf diesem vor, die Spaltung selbst heraufbeschworen zu haben: „Niemand anderes als der BSS war es also, der die bisherige Einheit und Gemeinschaft aufhob. Er wollte die Mitglieder, die ihm verblieben waren, aus dieser Einheitsfront herausreißen. Er wollte sie dem dbb abwendig machen und in das Lager des ADB hinüberführen. Er hatte unbegreiflicherweise die Hoffnung, dass ihm alle seine Mitglieder, auch diejenigen, die gegen die Entschließung gestimmt hatten, auf diesem Wege folgen würden

Ein großer Teil der Mitglieder des BSS machte die Schwenkung zum ADB nicht mit, er blieb dem dbb treu und schloss sich unter Aufgabe seiner Mitgliedschaft beim BSS zur GSS zusammen.“

Der 1. Vertretertag der GSS fand am 10. und 11. Mai 1924 im „Italienischen Dörfchen“ in Dresden statt. Auf diesem wurden Verwaltungsinspektor Paul Eichler zum Ersten Vorsitzenden und Regierungslandmesser Uhlig zum Zweiten Vorsitzenden gewählt. In der GSS wurde zwar Wert auf parteipolitische Neutralität gelegt, die konservativen Wertvorstellungen der Mitglieder kamen aber dennoch zum Tragen. So war zum Beispiel zu lesen: „Zudem sind wir, ganz abgesehen von dem Grundgedanken unserer Verfassung, der Meinung – damit befinden wir uns in Übereinstimmung auch mit prominenten Personen der sozialdemokratischen Partei –, dass gerade in der gegenwärtigen Zeit das Nationale in den Vordergrund zu stellen ist, dass wir uns in erster Linie als Deutsche zu fühlen haben. Deutsch sein, deutsch denken, fühlen und handeln zu wollen, das sei unser Gelöbnis zum Verfassungstage.“

Trotz der Differenzen zwischen den beiden Verbänden gab es Einigungsbestrebungen. So veröffentlichte die GSS Ende 1926 einen Aufruf: „Der Hauptvorstand der GSS teilt die Auffassung, dass eine Einheitsorganisation der gesamten sächsischen Staatsbeamtenschaft anzustreben ist. Er begrüßt es, dass der Geschäftsführende Vorstand der GSS die Angelegenheit wieder aufgegriffen hat und billigt auch die von ihm in dieser Frage eingeschlagene Richtung. Insbesondere ist er mit der Veröffentlichung der Richtlinien in Nr. 14 der Sächsischen Staatsbeamten-Zeitung einverstanden und ermächtigt den Geschäftsführenden Vorstand, der sächsischen Staatsbeamtenschaft gegenüber seine Bereitwilligkeit zur Einigung zu erklären und gegebenenfalls in Einigungsverhandlungen einzutreten.“ Die Verhandlungen sollten sich jedoch noch einige Zeit hinziehen, führten letztendlich aber doch zum Zusammenschluss. Am 10. Januar 1932 trafen sich im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden 160 Vertreter beider Bünde sowie zahlreiche Gäste und riefen den „Sächsischen Staatsbeamtenbund“ (SSB) ins Leben. Weiterhin wurde der SSB in den dbb aufgenommen. In den neuen Bund brachten der BSS 5 439 und die GSS 4 476 Mitglieder ein. Ab dem 1. Februar 1932 erschien die gemeinsame Verbandszeitung „Der Staatsbeamtenbund“. Am 28. und 29. Mai 1932 fand der 1. Bundestag des SSB in der „Großen Wirtschaft“ in Dresden statt. In den Bundesvorstand wurden Oberverwaltungsinspektor Paul Eichler als Erster Vorsitzender und Oberregierungssekretär Gäbler als Zweiter Vorsitzender gewählt. Als die Arbeitslosenzahlen im Deutschen Reich immer weiter stiegen und die Flügelparteien immer größeren Zulauf erhielten, mahnte auch der SSB: „Es ist kein Wunder, wenn die von diesen Maßnahmen betroffene Beamtenschaft an Gerechtigkeit und Treue des Staates, dem sie dient, zu zweifeln beginnt und das Vertrauen zur Staatsführung verliert. Alle haben ihre Opfer in Erkenntnis bitterer Staatsnotwendigkeiten gebracht. Die Grenze dieser Erkenntnis ist dort, wo der Glaube an den Zweck des Opfers zerbricht.“ Viele Beamte sahen sich nicht mehr als Diener des Staates, sondern wandten sich den politisch extremen Parteien zu. So verwundert es auch nicht, dass eine große Anzahl der Beamten den Ideen der Nationalsozialisten offen gegenüberstand.

Nachdem am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, begann er mit einer grundlegenden Umgestaltung des Staates. Wie viele andere Verbände und Vereine stellte sich auch der SSB hinter diese Maßnahmen. Am 24. Juni 1933 fand ein außerordentlicher Bundestag des SSB statt. Der inzwischen zum Bundesvorsitzenden aufgerückte Gäbler eröffnete in „… dem mit den Symbolen der nationalen Revolution geschmückten Saal der Dresdner Kaufmannschaft …“ den Bundestag. Auf diesem wurde eine neue Satzung beschlossen, die dem Herrschaftsanspruch der Nationalsozialisten Rechnung trug. Als neuer Bundesführer wurde einstimmig Oberregierungssekretär Haustein gewählt. Schließlich legte ein für den 16. Dezember 1933 einberufener Bundestag das weitere Schicksal des SSB fest. Im Bundeserholungsheim „Terrassenhof“ in Pfaffendorf wurde die Auflösung einstimmig angenommen. Das Bundesvermögen ging an den „Reichsbund der Deutschen Beamten“ über. In der letzten Nummer (20. Dezember 1933) der  Verbandszeitung war deshalb zu lesen:

„Der Verein beschließt gemäß § 18 seiner Satzung seine Auflösung, die am 31. Dezember 1933 in Kraft tritt.“  Die ereignisreiche Geschichte des BSS/SSB endete somit vorerst ohne großes Aufsehen, wie die der meisten Beamtenvereine und -verbände im Deutschen Reich.[5] 


[1] Vgl.  Jack  Schiefer: Geschichte  der  deutschen  Gewerkschaften, Bd. 1: Geschichte der deutschen freien Gewerkschaften, Aachen 1947, S. 130. Vgl. Andreas Peschel: Die sächsischen Beamtenverbände, Aufsatz 2011 zum 20 jährigen Jubiläum des SBB, S 2.

[2] Vgl. Andreas Peschel: Die sächsischen Beamtenverbände, Aufsatz 2011 zum 20 jährigen Jubiläum des SBB, S 2,3,5.

[3] Zur Geschichte des DBB: Deutscher Beamtenbund. Ursprung Weg - Ziel. Zur 50. Wiederkehr des Gründungstages am 4. Dezember 1918, herausgegeben von der Bundesleitung des DBB, Bad Godesberg 1968; Deutscher Beamtenbund – Werken und Wirken. Alfred Krause zum 50. Geburtstag, Regensburg 1972.

[4] Andreas Peschel: dbb regionalmagazin, Fachzeitschrift (2011), Ausgabe 10, S. 10. 

[5] Andreas Peschel: dbb regionalmagazin, Fachzeitschrift (2011), Ausgabe 12, S. 10-11.

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